Kommentar: Kulturelles Erbe

(Erschienen am 9.4.04 im „Kurier“)

Der Stephansdom zeigt es für alle sichtbar, quasi „urbi et orbi“. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung appelliert dramatisch an die Bundesregierung. Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung hat eine spezielle Kommission gegründet. Es fehlt allenthalben an Geld für das kulturelle Erbe. Österreich, das seinen Wohlstand und Reputation vor allem der Vergangenheit verdankt, weiß nicht mehr, wie es die Bauwerke der Vergangenheit, die kostbaren Quellen der Nationalbibliothek und anderer Archive, die Akten der Regierungen, die Regesten der Kaiser, die Originalpartituren unserer weltberühmten Komponisten, die Handschriften der Dichter, die Kirchen, die Burgen, die Schlösser, die Akten und wohl auch das genetische Material der „Sulmtaler Hühner“, die besonders gutes Fleisch geben, retten kann.

Die normalen Forschungsmittel reichen nicht mehr aus, das zu sichern, was man international als „cultural heritage“ bezeichnet. Bisher ist von den Universitäten zweifellos vieles erarbeitet worden, haben die Archivare geschuftet, die Kirche und wohl auch die Länder mit Notmaßnahmen reagiert. Jetzt, im Zeitalter der Kostenrechnung und eines gefährlichen Bildungsverlaufes sind Summen zur Konservierung vonnöten, die kein normales Budget mehr erbringen kann. Weder Kirchensteuer noch Landesausstellungen, weder Langzeitprojekte, noch Verscherbelungsaktionen identitätsstiftender Texte haben das Risiko vermindern können. Auch wenn es niemand wissen will, und Finanzpolitiker und anderen Bürgern der Schreck in die Glieder fährt, es führt kein Weg daran vorbei. Die Kulturabgabe, wie sie in Spanien und Italien heißt, also ein gewisser bis zu einem Prozent reichender Betrag des Steueraufkommens, wird zu diskutieren sein.

Die Alternative ist die Preisgabe alles dessen, was Österreichs Vergangenheit ausmacht: der Verzicht auf den Wert der Kulturgüter, die dieses Land neben seinen Naturschönheiten besitzt. Man wird zwar die Universitäten mithilfe der Leistungsverträge dazu anhalten können, wiederum eigene Beiträge zur Erforschung der Vergangenheit zu leisten, man wird möglicherweise auch die Gelder der Akademie der Wissenschaften und anderer wissenschaftlicher Vereinigungen mit gewissen Bindungen für historische Aufarbeitung belegen können, aber es wird nicht genug sein. Gewiss können kluge Rechner möglicherweise mit dem „cultural heritage“-Beitrag, die ohnehin mißtrauensüberschüttete Kirchensteuer kompensieren, was nebenbei bemerkt nicht nur historische Fehlleistungen, sondern auch oberflächliche Trennungen verhindern hülfe.

Neue Zeiten in Budgetrechnungen verlangen nach neuen Methoden. Es wäre gelacht, würde ein so traditionsbezogenes Land wie Österreich, das nach wie vor seine Position in der Mitte Europas seiner Geschichte verdankt, auf die Bedeutung und die Nachhaltigkeit seines kulturellen Erbes verzichten wollen. Jetzt liegt es an Budgetspezialisten und an mutigen Politikern, Reformen in diesem Kontext anzugehen. Gut kommuniziert, müsste es eigentlich dafür Beifall von allen politischen Seiten geben.